"Das Benzin ist immer noch zu billig"

Die Welt vom 23.02.12

Grünen-Verkehrspolitiker Anton Hofreiter fordert die Ausdehnung der Lkw-Maut und ein Tempolimit auf Autobahnen. Benzin solle noch mehr kosten. Von Matthias Kamann und Martin Lutz

Welt Online: Herr Hofreiter, wird Autofahren doch zum Luxus?

Anton Hofreiter: Der Rohölpreis (Link: http://www.welt.de/themen/benzinpreise/) wird weiter steigen. Die Gefahr ist deshalb groß, dass Autofahren zum Luxus wird. Nur wenn der Benzinpreis unattraktiv hoch ist, wird die Autoindustrie gezwungen sein, ihre Modelle schnell auf alternative Antriebsarten umzustellen. Die jüngsten Absatzerfolge haben die Hersteller aber leider davon abgehalten.

Welt Online: Ganz unrealistisch ist es also nicht, dass sich der Benzinpreis irgendwann auf umgerechnet jene fünf Mark beläuft, die die Grünen einmal gefordert haben.

Hofreiter: So weit ist es noch nicht. Bei jenem Grünen-Beschluss haben viele gedacht, wir wollten die Autofahrer drangsalieren, und vielleicht hatte das mancher Grüner auch im Hinterkopf. Aber der Plan als solcher bestand darin, die Industrie zur Entwicklung sparsamer und umweltschonender Autos zu motivieren und somit Technologiepfade aufzuzeigen, auf denen das Autofahren bezahlbar bleibt.

Welt Online: Bisher aber geht Ihre Rechnung nicht auf. Selbst Kleinwagen verbrauchen weiterhin relativ viel.

Hofreiter: Das Benzin ist offenbar immer noch zu billig. Man muss bei uns für den Kauf eines Liters Benzin kaum länger arbeiten als in den 50er-Jahren.

Welt Online: Glauben Sie, dass im Jahr 2020 eine Million Elektroautos fahren, wie es die Bundesregierung plant?

Hofreiter: Im Moment sieht es eher nicht so aus.

Welt Online: Soll die Mineralsteuer für den Straßenneubau erhöht werden?

Hofreite: Für eine solche Steuererhöhung sehe ich derzeit keinen Bedarf. So weit ich weiß, will das auch sonst niemand bei den Grünen auf Bundesebene.

Welt Online: Sie plädieren aber für eine Erhöhung der Lkw-Maut (Link: http://www.welt.de/themen/lkw-maut/) .

Hofreiter: Die Maut muss auf untere Tonnenklassen ausgedehnt werden. Im Moment erleben wir einen Boom beim Bau und Verkauf der 11,9-Tonner, weil die nicht der Maut unterliegen.

Es ist aber nicht im Sinne der Maut-Erfinder, dass immer mehr von diesen relativ großen Lkws herumfahren. Insofern ist zu überlegen, ob man die Lkw-Maut nicht von 7,5 Tonnen aufwärts erhebt oder gar in einem weiteren Schritt von 3,5 Tonnen an. Außerdem muss man schauen, ob man an einigen Stellen nicht noch weitere Bundesstraßen ins System der Maut-Erhebung einbezieht.

Welt Online: Die Grünen sind für die City-Maut. Warum führen sie die nicht dort ein, wo ihre Partei bereits mitregiert?

Hofreiter: Die meisten Städte wissen nicht, woher sie das Geld für den öffentlichen Nahverkehr nehmen sollen, und insofern kann eine City-Maut nützlich sein. Es gibt aber juristische Probleme: Man muss etwa die Bundesstraßen berücksichtigen, die durch Städte führen. Ob die Kommunen dann eine City-Maut erheben darf oder nicht, ist unter Juristen umstritten.

Welt Online: Sie unterstützen auch ein generelles Tempolimit auf Autobahnen. Was soll das bringen?

Hofreiter: Einer der wichtigsten Gründe für Tempo 120 ist die Verkehrssicherheit. Überhöhte Geschwindigkeit bleibt die Unfallursache Nummer eins. Ich stehe in engem Austausch mit der Hochschule der Polizei, und deren Experten sind sich extrem sicher, dass ein Tempolimit die Verkehrssicherheit sehr verbessern würde.

Welt Online: Aber auf Autobahnen ist die Zahl der Verkehrstoten relativ gering.

Hofreiter: Autobahnen lassen sich nicht mit Landstraßen vergleichen. Man muss genau ausrechnen, wie viele Verkehrstote und Schwerverletzte auf einem bestimmten Autobahnabschnitt es ohne und dann mit Tempolimit gibt. Fast alle Fachleute sind sicher, dass dies einen großen Unterschied ausmacht.

Welt Online: Trotzdem sind Sie dafür, Autobahnen auszubauen. Für einen Grünen ist das alles andere als selbstverständlich. Warum dieser Sinneswandel?

Hofreiter: Das ist kein Sinneswandel. Der einzige Wandel besteht darin, dass wir es jetzt etwas deutlicher sagen. Wir bleiben die Partei, die den öffentlichen Personenverkehr ausbauen und den Schwerpunkt auf die Schiene legen will. Die Bahn hat im Fernverkehr bisher einen Marktanteil von sieben Prozent. Dieser Anteil muss verdreifacht werden. Dann wären wir immer noch erst bei 21 Prozent.

Welt Online: Ihre Parteifreunde in der Regierung in Baden-Württemberg wollen gar keine neuen Straßen mehr bauen.

Hofreiter: Das Geld, welches der Bund Baden-Württemberg für den Straßenbau zuweist, reicht einfach nicht aus, neue Projekte zu beginnen. Es hat doch keinen Sinn, immer neue Vorhaben anzufangen und die Finanzierung dann über Jahrzehnte zu strecken. Daraus resultieren die extrem langen Bauzeiten.

Welt Online: Mehr Geld für die Schiene fordern auch die anderen Parteien.

Hofreiter: Wir brauchen eine kluge Ausbaustrategie für die Bahn. Deshalb waren wir Grünen ja gegen Stuttgart 21 (Link: http://www.welt.de/13870394) .

Weil dort Milliarden von Euros gebunden werden, die wir dringend für Projekte benötigen, die zwar langweilig wirken, aber für die Wirtschaft viel wichtiger sind.


Nämlich so unspektakuläre Sachen wie zusätzliche Weichen, Überholspuren oder ein Vorbeifahrgleis, auf dem ein Güterzug mit 80 Stundenkilometern warten kann, während nebenan der schnellere Personenzug mit Tempo 160 fährt.

Welt Online: Was aber haben die Grünen gegen Hochgeschwindigkeitsstrecken?

Hofreiter: Im Prinzip nichts. Nehmen Sie aber die Verbindung München–Berlin, für die man derzeit sechs Stunden Fahrzeit benötigt. Wenn die Hochgeschwindigkeitsstrecke Nürnberg–Erfurt fertig ist, werden es noch vier Stunden sein.

Eigentlich eine tolle Sache, wird am Ende jedoch 15 Milliarden Euro gekostet haben, und im Durchschnitt wird man 150 Kilometer schnell fahren, auf einigen Abschnitten fast 300, aber auf anderen sehr viel langsamer. Es wäre besser gewesen, die gesamte Strecke für Tempo 220 auszubauen. Dann würde man innerhalb von drei Stunden von München nach Berlin kommen. Das wäre also noch schneller, aber man hätte nicht dermaßen viel Geld ausgeben müssen.

Welt Online: Was bedeutet für Sie Komfort in der Bahn?

Hofreiter: Die Züge sollten sauber, angenehm klimatisiert und pünktlich sein Außerdem müssen die Anschlüsse klappen. Ich möchte schnell unterwegs sein. Dies aber bemisst sich an den Reisezeiten. Da hapert es noch gewaltig: Erst wird die Infrastruktur gebaut, und dann muss die Bahn überlegen, wie sie daran den Fahrplan anpasst.

Wir fordern einen Deutschland-Takt, bei dem zuerst auf gute Anschlüsse geschaut und dann überlegt wird, was dafür an Baumaßnahmen nötig ist.

Welt Online: Die Grünen gelten als Verhinderer von Infrastrukturprojekten.

Hofreiter: Ich habe kein Problem damit, sinnlose Prestigeprojekte wie Stuttgart 21 zu verhindern. Wir verlangen aber viele wichtige Projekte, etwa die Rheintalbahn für den Güterverkehr nach Südeuropa. Und wenn man ehrlich ist, wird man in der nördlichen Verlängerung dieser Strecke auch eine neue Gütertrasse zur Entlastung des Mittelrheins bauen müssen, damit die Güterzüge nicht durch das enge Flusstal zwischen Mainz und Köln donnern, sondern außen herum geführt werden können. Auf die Dauer ist das Rheintal zu eng, um den Güterverkehr bewältigen zu können.

Welt Online: Ihr Vorgänger im Verkehrsausschuss, Winfried Hermann, hat sich mit

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (Link: http://www.welt.de/themen/peter%20ramsauer/) von der CSU ganz gut verstanden. Warum setzen Sie den Schmusekurs nicht fort?

Hofreiter: Ich weiß nicht, ob es einen Schmusekurs gab. Ich persönlich habe überhaupt kein Problem mit Herrn Ramsauer, aber manchmal reagiert er auf Kritik sehr nervös.

Welt Online: Sie haben ihn kürzlich dafür kritisiert, dass er die eine Milliarde zusätzlich für Verkehrsprojekte angeblich nach Parteienpräferenz vergebe. Aber Nordrhein- Westfalen und Baden-Württemberg werden nicht von der Union regiert, haben jedoch auch etwas bekommen.

Hofreiter: Es ging mir um das Geld für die Neubeginne, und das Geld dafür fließt nur in unionsregierte Länder, Niedersachsen, Bayern, Sachsen und Mecklenburg- Vorpommern, wo die Bundeskanzlerin ihren Wahlkreis hat.

Welt Online: Aber vorhin waren Sie doch gegen die ganzen Neustarts. Warum ärgert es Sie dann, dass grün regierte Länder dafür kein Geld kriegen.

Hofreiter: Das ist es doch gerade: Ramsauer bleibt fixiert auf Neubeginne und gibt sein Geld jenen, die dieser Ideologie huldigen, nämlich seinen Freunden von der Union. Statt sich endlich mal von dieser Ideologie zu lösen und Geld dorthin zu geben, wo es für die Erhaltung der Infrastruktur tatsächlich benötigt wird.

Welt Online: Müssten Sie als Ausschussvorsitzender nicht eher moderieren statt polarisieren?

Hofreiter: Ich habe aus allen Fraktionen positive Rückmeldungen, dass ich das Gremium sehr fair moderiere. Gleichzeitig bin ich als Parlamentarier aber ein Freund klarer Worte.