03.12.2013
Sozialbeirat: Finanzierung der versicherungsfremden Leistungen wie der neuen Mütterrente führt zu sinkendem Rentenniveau wer 45 Jahre lang Beiträge gezahlt hat, soll demnächst mit 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen können. Das ist eines der Bonbons im Koalitionsvertrag. Doch der Drops wird bald gelutscht sein: Diese Altersgrenze wird schnell auf 65 ansteigen.
VON PETER STUCKHARD
Berlin. Schon ab 1. Juli 2014, darauf haben sich die Koalitionäre geeinigt, sollen es besonders langjährig Versicherte besser haben. Bisher können die mit 65 in die Rente. Das waren im letzten Jahr 10.600 Neurentner. Ab Juli 2014 kann man dann mit 63 in die vorgezogene Altersrente gehen, ohne Abschläge in Kauf nehmen zu müssen. Jedenfalls dann, wenn man 45 Jahre in die Rente eingezahlt hat. Für diese 45 Jahre sollen dann auch, und das ist neu, Zeiten der Arbeitslosigkeit zählen.
Diese Altersgrenze ist aber vorübergehend, sie wird, so Andreas Feuser von der Deutschen Rentenversicherung Bund, "ziemlich schnell in die Anpassung gehen." Im Koalitionsvertrag liest sich das so: "Das Zugangsalter, mit dem der abschlagsfreie Rentenbezug möglich ist, wird schrittweise parallel zur Anhebung des allgemeinen Renteneintrittsalters auf das vollendete 65. Lebensjahr angehoben."
Da schon Mitte der 50er Jahre, so die Rentenversicherung, die ersten Beiträge im Schnitt mit 17 bis 18 Jahren, Tendenz steigend, gezahlt wurden, lässt sich folgende beispielhafte Rechnung anstellen:
Geburtsjahr 1955, erster Beitrag mit 20, also 1975, plus 45 Beitragsjahre, hieße: Die abschlagsfreie vorgezogene Altersrente gibt es frühestens 2020 im Alter von 65 Jahren. Die Regelaltersrente gäbe es dann mit 65 Jahren und 9 Monaten. Der Rentner des Jahrgangs 1955 gewinnt immerhin neun Monate.
Wie sich die neue Regelung finanziell auswirken wird, wird sich erst in der konkreten Ausgestaltung zeigen, wird aber wegen der relativ geringen Zahl der Berechtigten wohl eher überschaubar bleiben.
Anders verhält es sich mit weiteren Beschlüssen, zum Beispiel zur sogenannten Lebensleistungsrente und zur Mütterrente. Die nämlich, und das stößt auf fundamentale Kritik des Sozialbeirates, des ältesten deutschen Regierungsberatungsgremiums, sollen von der Versichertengemeinschaft der Rentner selbst finanziert werden. Die Beschlüsse verstoßen, so das Gremium, gegen das Prinzip der sogenannten Teilhabeäquivalenz. Aus dem folgt, dass die Rentenversicherung keine versicherungsfremden, sondern nur versicherungs-konforme Leistungen finanzieren soll. "Darüber hinaus beschlossene Ausgabenbedarfe", so der Beirat in seinem Gutachten 2013 ausdrücklich, "sollten im Gegenzug als gesamtgesellschaftliche Aufgaben verstanden werden und folgerichtig aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert werden, das heißt über die Bundeszuschüsse abgedeckt sein."
Solche "Ausgabenbedarfe" sind im Koalitionsvertrag programmiert. Denn es soll ab 2017 erstens die sogenannte "Lebensleistungsrente" eingeführt werden. Die wird Geringverdienern und Menschen, die Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt haben, zugutekommen. Hier haben sich die Koalitionäre darauf geeinigt, dass die Mehrausgaben der Rentenversicherung aus Steuermitteln finanziert werden sollen.
Anders ist es womöglich bei der Mütterrente, die, um eine "Gerechtigkeitslücke" zu schließen, auch die Erziehung von Kindern, die vor 1992 geboren worden sind, besser honorieren will. Das würde, so der Sozialbeirat, Mehrausgaben von anfänglich etwa sechs Milliarden Euro pro Jahr mit sich bringen. Über die
Finanzierung schweigt sich der Koalitionsvertrag, anders als bei der Lebensleistungsrente, aus.
Sollen aber die höheren Renten für die Erziehung vor 1992 geborener Kinder zu Lasten der Rentner gehen, würden die Versicherten, so der Sozialbeirat, "in zweifacher Weise belastet: Sie finanzieren direkt die zusätzlichen Ausgaben und müssen außerdem durch geringere Rentenanpassungen ein stärker sinkendes Rentenniveau hinnehmen."